Sau im "Röseberg"


14.07.1999

Titel: "Schwein gehabt"
oder "Wie schieße ich ein Schwein"
oder "So wird‘s gemacht"
oder "Sau schießen leicht gemacht"
oder auch "Die Kralle vom Röseberg"

Nach 15 Tagen selbst verordneter Jagdruhe, kam mir in den Sinn mich einmal in den Röseberg zu setzen. Warum dorthin? Ich weiß es nicht. Oder doch? Ende Mai bin ich einmal mit Hans zum Kirren in unser Revier gefahren, danach saßen wir an. Hans war seit langer Zeit wieder einmal mit zur Jagd gekommen. Kaum war er in der Kanzel, fiel eine Sau. Das zu schildern vermag ich nicht.
Jedenfalls Henning vormittags angerufen und uns für den Abend verabredet, er wollte sich mit unseren Mitjägern absprechen. Ich bin an diesen Abend ausgerechnet spät nach Hause gekommen, daher sind wir erst um halb neun bei Henning vom Hof gefahren.
Einmal durch unser Revier und Henning war abgesetzt. Das Auto mit Ben ließ ich bei den Bienenstöcken am Röseberg stehen. Leichte Ausrüstung und leise den schlammigen Weg zum Hochsitz gepirscht. Meiner Zerstreutheit habe ich es zu verdanken, daß ich die Stiefel in der Garage stehen ließ. Nun ja, da standen sie wenigstens trocken. Auf dem Weg zum Sitz ist mir eine Überläuferfährte aufgefallen. Trotz vorsichtigen und leisen Gehens strichen immer wieder Ringeltauben ab, bevor ich sie auch nur zu sehen bekam. Es war mittlerweile etwa halb zehn als ich auf dem Sitz war. Vorläufig strichen immer nur Tauben ab. Da, ein Knacken wie es wahrscheinlich nur von einem Dachs, Waschbären oder einer Sau stammen könnte. Eine Weile Ruhe, dann wieder Tauben, die im Balzflug die Flügel schlugen. Der Wind kam mir von vorn von der Kirrung. Im Glas habe ich ausgemacht, daß der rechte Mahlbaum stärker angenommen wurde als der linke. Links lag auch noch Mais unter dieser Tonne. Gegen zehn Uhr vernahm ich ein ziehendes Stück hinter meinem Sitz. Den Einstieg hatte ich mit dem Teppich verschlossen, also umdrehen und nachschauen hätte keinen Sinn gemacht. Außerdem war jetzt Vorsicht geboten. Das Stück zog um meinen Hochsitz herum nach rechts weg. Ich leuchtete nicht hinterher, da ich annahm, daß das Stück bestimmt zur Kirrung wollte. Etwa weitere fünf Minuten mit absoluten Stillsitzen machte die Spannung perfekt. Endlich ein leichtes Brechen im Unterholz, das spitz rechts vor mir lag. Da war die Sau. Sie zog zur rechten Tonne, drehte sie, um Mais heraus rieseln zu lassen und begann Fraß aufzunehmen. Dabei zeigte sie mir ganz kühl den Bürzel mit Waidloch. Meine Bockbüchsflinte hatte ich schon von Anfang an auf die Kante in Schußrichtung gelegt. Jetzt brauchte ich sie nur noch hochzuheben, der Gewehrriemen war kurz gespannt, so daß auch hier jedes Geräusch vermieden wird, und der Leuchtpunkt saugte sich links hinter dem Blatt fest. Die Sau stand spitz von mir weg und ab und zu hob das Schwein sein Haupt um in meine Richtung zu äugen. Die Sau machte keine Anstalten, sich noch etwas zu drehen. Also lies ich fliegen. Im Knall lag das Stück neben der Tonne im Feuer. Im Zielfernrohr konnte ich noch einige Zuckungen mit den Hinterläufen beobachten. Jetzt lud ich eine neue Patrone und hielt vorsichtshalber weiter auf das Stück. Nun vernahm ich ein Brechen im Unterholz, was darauf schließen läßt daß noch ein weiteres Stück von mir zunächst unbemerkt, vom Ort des Geschehens flüchtete. Es war jetzt 22.10 Uhr. Nach einigen Minuten, wäre ich noch Raucher so hätte ich die obligatorische Zigarette geraucht, baumte ich ab und ging zur Sau. Es war ein Überläuferkeiler, später wogen wir 44 kg. Nun ging ich noch die Kirrung ab und stellte an den Mahlbäumen grobe Schlagstellen fest. Es sind also noch mehr und größere Sauen regelmäßig an dieser Kirrung. Zufrieden ging ich zum Auto um mit Ben Henning zu holen, damit wir gemeinsam das Stück bergen könnten. Soweit, so gut. Siehe die ersten 5 Überschriften. Anzumerken sei noch, daß Gustav und Henning die Kirrung Tage zuvor mit Mais beschickt und die Mahlbäume dick mit Buchenholzteer versehen hatten. Auch war der Sitz vorzüglich mit einer Lehne ausgestattet, so daß ein gemütliches Sitzen möglich war. Den beiden Waidgesellen sei hiermit Dank gesagt. Was ich jetzt schildere bringt vielleicht einige Jäger zum schmunzeln oder denken, wie blöd ist denn der. Es begann damit, daß ich Ben zum Nässen aus dem Auto ließ. Nach meiner Aufforderung an den Hund in das Auto zu springen, was Ben auch bereitwillig tat, jaulte er noch im Sprung fürchterlich auf. Ich ging nach hinten um nachzusehen und sah seine Decke voller Schweiß. Er hielt mir seine Pfote entgegen und winselte erbärmlich. Am Waldboden konnte ich nichts entdecken, woran er hätte sich verletzen können. Meine Schlußfolgerung ist nun die, daß sich der Hund beim Sprung in das Auto an dem Verschlußhaken der Hecktür unglücklich die Kralle gehakt hat. Das kann die Verletzung hervorgerufen haben. Beim späteren Besuch eines Tierarztes, ich hatte ja sowieso die Trichinenprobe abzugeben, stellte sich nun ein Riß unter einem gespaltenen Nagel heraus. Darüber hinaus hat sich Ben das Handgelenk gestaucht. Ben schont noch 4 Tage später sehr stark, ich nehme an, der arme Kerl hat sich die Zehe gebrochen. Es war dunkel und es wurde Zeit Henning abzuholen. Er wartete schon am verabredeten Ort, denn er hatte den Schuß gehört. Da ich ja meine Stiefel am sicheren und trockenen Ort wußte, versuchte ich mit Henning so weit wie möglich den Röseberg hinaufzufahren. Ging aber nicht, es können ja nicht alle einen Geländewagen haben, stimmt’s Gustav? Jedenfalls blieb der verletzte Hund im Auto. Mit Henning ging ich hoch um die Sau zu bergen. Ich mußte noch einmal die Sache schildern und wir freuten uns beide über dieses erlegte Stück. Bis jetzt hätte es nicht schneller gehen können. Kommen, setzen, schießen, fertig wie Flasche leer... . Wir zogen den Keiler etwa 150 m den schlammigen Weg im Dunkeln zum Auto. Aufbrechen wollten wir an den Bienenstöcken. Also, Sau und Hund in das Auto und rückwärts zurück. Denkste, das Auto war vor lauter Schlamm kaum in der Spur zu halten. Sehen konnte ich auch nicht viel. Sau und Hund versperrten mir die Sicht. Ich war froh als wir endlich gut „Strecke“ machten.... . Die Scheinwerfer griffen die Baumwipfel, was logischerweise eine bedrohliche Schräglage unseres Autos bedeutete. Ich hatte die Abzweigung verpaßt und war rückwärts in einen Hohlweg gefahren. Alles Schlamm. Mit schieben und fluchen ging es aber auch nicht. Henning war so freundlich und überließ es mir, Hilfe zu holen, es würde ja nicht lange dauern bis zum Gehöft nach unten meinte er, es wäre ja nicht weit. Also mit halben „Tretern“ den schlammigen Karstweg nach unten. Irgendwann ein saugendes Geräusch und ich sollte ohne selbige weiter. Aber mit vorsichtigen mühevollen Schritten gelang mir die erste Hürde bis zu Krikhoff’s auf den Hof. Ich stellte mir vor, seinen tobenden Rottweiler strecken zu müssen um meine Beinkleider und noch mehr schützen zu müssen. Dennoch meine Frage an Krikhoff: „Könnten sie mir helfen? Wir haben uns festgefahren. Aber da ist noch die Sache mit ihrem Hund...“. Aber es waren nur so flüchtige Gedanken. Es brannte im oberen Stockwerk abgedunkeltes Licht. Mein mehrmaliges Klingeln fand leider kein Gehör. Natürlich war ich schon gar, aber ohne Waffen und nur im Hemd würde mir ein Abendspaziergang zu Bernd Elbeshausen gut tun. Nach etwa halbstündigen Marsch erreichte ich die rettende Villa. Klingeln und hoffen... aber nichts. Also weiter bis Georg. Klingeln und hoffen... aber wieder nichts. Lange geklingelt und weiter hoffen... nichts tat sich, außer Bettknarren oder waren es die Kühe? Der ärmste hat am Abend zuvor mit seiner Frau einige Dutzend Masthähnchen geschlachtet und war daher sehr müde. Was nun, es war Mitternacht und alles so schön still und friedlich im Dorf. Zurück, nein. Telefon, wo? Wie? Was tun? Weiter bergauf in der Hoffnung irgendwo doch noch Licht zu sehen um flehentlich Bitte, Bitte zu machen. Da, das rettend helle Licht im Hofe. Nichts wie hin. Der Bewegungsmelder zeigte mein Kommen. Es lief noch der Fernsehapparat. Klingeln und hoffen... aber auch hier wieder nichts. Leises Fluchen, allerdings von mir, aus dem Haus kommend wäre mir lieber gewesen, denn dann hätte sich wenigstens sich einer meiner erbarmt. Da, die Rettung, ein Pkw schob sich den Asphalt hoch. Ich lief vom Hof auf die Straße um den Wagen zu erreichen. Mit meiner Taschenlampe, man stelle sich vor ich hätte diese vergessen, hatte ich wenigstens Erfolg und der junge Mann im Auto hielt an. Ich schilderte kurz meine Odyssee und er fuhr voraus, bergauf natürlich und ich im Laufschritt hinterher, zu seinem Zuhause. Später stellte sich heraus, es war der Neffe von Krikhoff. Trecker fahren dürfe er nicht und seine Eltern schliefen schon. Ich bat um ein Telefonat zu Georg. Ich hatte Erfolg und es war mir vergönnt Georg seine Frau „aus den Federn“ zu klingeln. Jetzt müdete sich Georg selbst hoch. Ich bin schnell zu Georg auf den Hof gelaufen und wir fuhren beide im Trecker zum Röseberg. Den Passat an den Haken und bald standen wir an den Bienenstöcken, wo wir schon vor Stunden stehen wollten. Eine Flasche gekühltes dunkles Köstritzer Bier, was Henning immer für Notfälle dabei hat und ich konnte wieder lachen.

Die Sau versorgt, der Hund verletzt, beide Jäger müde aber zufrieden fuhren wir zurück.





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