Bock auf der Hasenwinkelalm


Am 24.06.1998 saß ich bei untergehender Sonne zum dritten Mal in Folge auf der Hasenwinkelalm. Die Goldammern sangen ihr Lied. Ein Goldammerhahn kam immer wieder zu seinem Einstand, auf das abgetrocknete Buschwerk rechts neben mir. Er war so nah, daß ich das Fernglas nicht weiter heran drehen konnte. Trotzdem konnte ich ihn sehr gut beobachten. Leider kam schon wieder ein Regenschauer. Unter dem Dach der fahrbaren Leiter fand ich etwas Schutz vor dem Regen. Auch Ben hatte ich unter der fahrbaren Leiter abgelegt, so hatte auch er Schutz. Unter meiner Gummijacke verstaute ich meine Büchse und harrte der Dinge.
Verschiedene Dinge gingen mir so durch den Kopf. Jetzt, ausgerechnet zur Bockjagd hatte ich keinen Führerschein. Als ich im Februar in die Klinik nach Seesen fuhr, hatte ich bei rotem Ampellicht einen Unfall gebaut, nur gut, daß niemand ernstlich verletzt wurde. Einige Punkte in Flensburg, ein Monat ohne Auto und einige hundert Mark Strafe ist das Ergebnis einer momentanen Unaufmerksamkeit. Ganz abgesehen davon, daß die Versicherung den Kaskoschaden nicht bezahlen wollte, der an Marlies ihrem Auto entstanden war. Denn bei grober Fahrlässigkeit brauchen die Versicherer keine Leistung zu erbringen. Heute ist grobe Fahrlässigkeit unter anderem: Das Bücken nach der Zigarette, das Schlagen nach einem Stacheltier (Wespe), den nicht angeschnallten Vierläufer im Genick, dem Kinde den Schnuller reichen etc..
Unterhalb der Hasenwinkelalm sind im vorigen Jahr zwei junge Geologen von einem Wahnsinnigen überfallen worden, wobei einer durch einen Schuß tödlich durch ihn verletzt worden ist. Der andere ist wohl schwer verletzt. Es sind noch weitere zwei Opfer gefunden worden, sie sind teilweise zerstückelt oder der Kopf ist vom Rumpf getrennt. Der Täter ist bis jetzt noch nicht gefaßt worden.
Ich glaubte schon, es wollte nie wieder aufhören zu regnen. Aber ganz langsam verzogen sich die Wolken. Es wurde noch ein schöner Abend und ich konnte die Waffe wieder hervorholen. Die Feuerlilien standen dicht beieinander und reckten ihre Blüten weit nach oben um auch das letzte Abendlicht zu genießen. Ein Zug fuhr nach Ellrich und ich beobachtete eine Ricke durch das Fernglas, die in den nahen Busch an der Bahnlinie sprang.
Ganz plötzlich war in meiner Nähe, etwa 80 m von mir eine Ricke, dahinter zog ein Bock. Also, Ben Zeichen gegeben sich ruhig zu verhalten und die Büchse angelegt. Im Knall verschluckte die Wiese den Bock. Die Ricke merkte nicht, daß der Bock nicht mehr hinter ihr zog. Sie stand noch einen Moment verhoffend, um dann doch lieber mit hohen Sprüngen Deckung zu suchen.
Den Bock versorgte ich noch schnell, denn es war schon 21:50 Uhr. Die Fliegen und Mücken sind schneller als es die Polizei in Walkenried und Umgebung erlaubt. Ben legte ich bei dem Bock ab und machte mich auf zur Schranke, wo ich mich mit Henning verabredet hatte. Es war nun schon totale Finsternis. Mit Henning im Mercedes Benz fuhren wir die Straße nach Ellrich um beim Hundeübungsplatz rechts abzubiegen. Dann den ersten Feldweg hoch zur Hasenwinkelalm, oder war es der zweite Weg? Jedenfalls weiter. Umkehren ging nicht, da der Weg an dieser Stelle zu schmal und ähnlich eines Hohlweges war. Oh je, auch dieses Auto ist nur ein Fahrapparat mit vier Kullerrädchen, welches sich festfahren kann. Nach einigen vergeblichen Versuchen wieder frei zu kommen, machten wir uns mit unseren Waffen auf den Weg. Zu Georg war es sehr weit, so wollten wir von Walkenried aus Georg anrufen, denn das war näher. Bis wir im Ort waren, war es mittlerweile null Uhr geworden. Als wir, zwei Gestalten mit geschulterten Waffen, um Gehör bitten wollten, ging zu allem Unglück auch noch schlagartig im ganzen Ort das Licht aus. Was nun? Klingeln wollten wir, aber wo. Alles dunkel. Bei niemanden brannte Licht. Wir stellten uns vor, wir würden im Bett liegen und es würde klingeln. Aus dem Bett und nachschauen, wer so spät noch etwas will. Dann der Blick aus dem Fenster und davor steht eine finstere Gestalt mit Gewehr. Wir würden auch ganz ruhig sein, als ob niemand zu Hause sei. Aber es kam der Sohn von der Wirtin aus der Disco, wo wir sonst manchmal ein Bier trinken. Der Junge war so nett und schenkte uns jeden noch ein Bier ein und Henning konnte Georg anrufen. Ich lief noch zu Kurt, der bei Krikhoff an der Einfahrt immer noch wartete. Denn wir hatten uns alle verabredet. Inzwischen fuhr Georg an uns vorbei und befreite Henning aus seiner mißlichen Lage. Henning holte uns nun ab und gemeinsam fuhren wir zur Hasenwinkelalm. Diesmal den richtigen Weg. Ben freute sich gewaltig, denn er hatte geduldig bei dem Bock gewartet. Mir war selbst nicht wohl dabei gewesen den Hund so lange allein im dunklen bei dem Bock zu lassen.

Wenn wieder alles in Ordnung ist, kann auch wieder gelacht werden. Am Ende des Jagdtages fuhren wir zufrieden wieder nach Hause.





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